Zara Gayk

Digitale Malerei – Zara Zoë Gayk


Ausschnitte aus einer Ausstellungseröffnungsrede
von Klaus Küster


Seit langem schon haben es bildende Künstler verstanden in ihren Arbeiten etwas zu generieren, das sich Illusion nennt.


So kommt es, dass wir Bilder nicht nur fühlen und sehen, sondern auch noch hören können. Denn, wenn wir nur wollen, lässt sich in Hieronymus Boschs Höllenvisionen ein solches Zischen und Brausen vernehmen, dass wir uns die Ohren zuhalten möchten.

In diesem Sinne haben die Landschaftsmaler das Sprudeln der Bäche und in der aufgewühlten See das Brausen des Sturms mitgemalt. Und die Musiker? Haben die es nicht auch verstanden mit Musik Bilder in unseren Köpfen zu erzeugen? Wer wollte bestreiten, dass beim Hören von Smetanas "Moldau" nicht auch Landschaftsbilder vor unserem inneren Auge entstehen.

Doch rational betrachtet klingt Malerei nicht. Und Musik hat keine Farben. Dennoch sprechen wir davon, dass die Musik farbig sei und die Malerei klingen kann. Denn zwischen Musik und Malerei hatten sich die Grenzen zuerst im sprachlichen Gebrauch vermischt.

Maler sprechen vom Farbklang, vom Rhythmus der Linienführung, von Harmonien und Dissonanzen. Während die Musiker von Klangfarben, weichen und hart gezeichneten Melodiebögen und musikalischer Farbigkeit sprechen. Das Bedürfnis der Maler wiederum mit der Musik in einen Dialog zu treten, mag daran liegen, dass letztere sich durch ihre Immaterialität in ganz anderen Dimensionen mitteilen kann. Besonders seit Beginn des 20. Jahrhunderts haben die Maler der Abstraktion diesen Dialog für ihr Werk gesucht und benutzt.

Von Zara erfuhr ich, dass sie schon seit ihrer Kindheit die Klänge von Orgel und Bandoneon nachhaltig faszinierten, was sich von mir auch durchaus visuell in ihrem Atelier beobachten lies.

Ein Bild in der Anmutung eines riesigen Farbton- oder Farbklangdiagramms, erinnerte mich an die von Georg Friedrich Thelemann 1739 veröffentlichte Beschreibung einer Augenorgel, die der französische Mathematiker und Jesuit Louis Bertrand Castel 1725 entwickelt hatte. Auf diesem Farbenklavier erschien durch Niederdrücken einer Taste eine eben dieser Taste zugeordnete Farbe, nämlich eine von 12 Farbentönen, die den 12 chromatischen Tönen einer Oktave zugeordnet waren. Zaras großformatige diagrammartige Malerei  trug den Titel "La Yumba".

Ich erfuhr dann von ihr, dass dieser Titel eine Anspielung auf einen Musiktitel von Osvaldo Pugliese sei und keinerlei verbale Bedeutung habe, sondern von Pugliese rein lautmalerisch erfunden wurde. Und so konnte Zara mich umgehend über die Bedeutung ihres eigenen lautmalerischen Farbgebrauchs im Hinblick auf den Farbklang informieren.
Dabei hat sie gerade noch verhindern können, dass ich zu einer missverständlichen Deutung ihrer eigenen Farbtonbewertung kommen könnte, denn mit dem analytisch entwickelten Farbtönen der eben genannten Oktave haben ihre eher emotional benutzen Farben also wirklich nichts zu tun.

Gut zu wissen, dachte ich und freute mich mit dem Namen Osvaldo Pugliese beim Tango gelandet zu sein. Denn Tango Liebhaber kennen den 1995 in Buenos Aires verstorbenen Pugliese als bedeutenden Tangokomponisten, Pianisten und Bandleader, der den Tango Argentino im 20. Jahrhundert weiterentwickelte.

Wenn wir, wie Zara Gayk, den getanzten Tango in die alte Wechselbeziehung von Musik und Malerei einbeziehen, erfahren wir, dass es hier in dieser Ausstellung nicht etwa um eine Übersetzung getanzter, musikalischer Nostalgie in die Malerei geht, sondern um die bildhafte malerische Thematisierung einer vielschichtigen, lebendigen Kultur an der Musiker, Tanzpaare und natürlich Zuschauer beteiligt sind. Menschen also, deren unterschiedliche Motive der Beteiligung in einem riesigen Komplex von Aktivitäten und Wahrnehmungen die Malerin Zara Gayk seit dem Jahr 2003 inspirieren.

So können für die Malerin also nicht nur die eigentlichen Tanzschritte und Figuren, somit ihre Geschichte, sondern auch das Beziehungsgeflecht des Paartanzes zur Erkundung der verschiedenen Wahrnehmungsebenen von Musik und Bewegung werden. Der Malprozess des Bildes gleicht in mancher Hinsicht so dem Tanzen als auch dem Musizieren selbst. Die Intuition des Motivs und die Intonation des Farbtons führen je nach kompositorischer oder auch erzählerischer Absicht, sowohl einer gewissen Disziplin folgend als auch improvisierende Möglichkeiten nutzend.

Digitale Malerei ist handwerklich gesehen der Malvorgang in virtuellen Räumen. Optisch findet er auf dem Monitor, dem Bildschirm, als der dreidimensionalen Arbeitsleinwand des Computers statt.

Klaus Küster, 2010